Allgemein, Beziehung zu deinem Kind

Helikoptereltern. 3 Ängste, 3 bedürfnisorientierte Auswege

Zuletzt aktualisiert am 17. April 2020

Glaubst du, du gehörst zu den Helikoptereltern? Hast du manchmal Angst dein Kind könnte fallen und lenkst es dann ab, damit ist woanders weiter spielt? Ermahnst du es die Schaufel nicht so, sondern so zu halten? Verbesserst du dein Kind, wenn es im Kindergartenalter noch Fehler beim Zählen macht? Bespaßt du dein Kind, weil du denkst du müsstest es beschäftigen?

Wenn du alle diese Fragen mit Ja beantworten kannst, dann gehörst du nicht zu den Helikoptereltern. Diese sind ganz anders.

Was sind Helikoptereltern?

Helikoptereltern schwirren wie ein Helikopter um ihre Kinder herum. Ihr Erziehungsstil ist von Überbehüten und Bewachen geprägt. Sie mischen sich exzessiv in das Leben ihrer Kinder ein.
Der Begriff wurde zuerst vom isrealischen Psychologen Haim G. Ginott 1969 geprägt. Er wurde in den USA 2001 durch Wendy Mogel bekannt. Josef Kraus brachte den Begriff mit seinem Buch: „Helikoptereltern – Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung“ 2013 nach Deutschland.

Helikoptereltern planen das Leben ihrer Kinder vom Kindergarten bis zur Uni durch. Sie gehen in jeden Frühförderkurs. Sie lassen ihre Kinder nie alleine und setzen sie unter Druck: Sie wollen, dass ihre Kinder die beste Leistung bringen. Ihre Kinder sollen später erfolgreich werden und Karriere machen. Sie lassen ihnen keinen Freiraum für eigene Entscheidungen. Richtige Helikoptereltern suchen nicht nach Alternativen. Sie stellen ihren Wunsch nach Erfolg über alles. Wenn sie Angst haben, dann davor nicht erfolgreich zu sein.

Amy Chua hat darüber ein Buch geschrieben. Ihre Kinder sollen nach ihrer Erziehung zu den besten Klavier- bzw. Violine-Spielerinnen der Welt gehören.
Josef Kraus schätzt den Anteil der Helikoptereltern auf 10 – 15%. So weit würde ich nicht gehen. Wenn wir Eltern wie Amy Chua meinen, dann sind das sicher nur wenige.

Ich glaube, dass viele Eltern Ängste haben, die denen der Helikoptereltern ähneln. Wir treiben es nur nicht ins Extrem. Darum gehe ich jetzt auf 3 große Ängste der Helikoptereltern ein:

3 Ängste der Helikoptereltern

Aus dem Verhalten der Helikoptereltern lese ich ab, dass viele von ihnen Angst haben. Wer sein Kind wie ein Helikopter umschwirrt kann nicht vertrauen, sondern will kontrollieren. Aber was? Und wozu?
Den Titel „Helikoptereltern“ will ich niemandem verleihen. Du darfst selbst bestimmen, ob du dich einem bestimmten Label unterwirft. Ich will lieber individuell auf die Ängste schauen, die du eventuell im im Umgang mit deinem Kind hast:

  1. Ich muss das Kind fördern, damit es sich gut entwickelt
  2. Ich muss meinem Kind eine glückliche Kindheit bieten.
  3. Ich muss darauf aufpassen, dass sich mein Kind nicht verletzt

3 bedürfnisorientierte Auswege

Bei der bedürfnisorientierten Erziehung geht es darum nach den Bedürfnissen der Kinder und der Eltern zu schauen. Die Eltern nehmen dabei eine Führungsposition ein, da sie die Kommunikation mit den Kindern steuern. Die Eltern achten auf die Bedürfnisse ihrer Kinder und auf ihre eigenen.

1. Du und dein Kind, ihr wollt in die gleiche Richtung: Entwicklung ist euch beiden wichtig

Kinder wollen sich weiterentwickeln, wachsen und immer selbstständiger werden und du willst das auch. Dein einziger Wunsch ist, dass dein Kind gesund und glücklich ist.
Wenn du diesem Bedürfnis nachkommen willst musst du vor allem eins tun: Nichts. Ja, wirklich! Lass dein Kind seine eigenen Lernerfahrungen machen. Es ist nicht schlimm, wenn ein Kind schon früh Spaß am Zählen hat und nicht korrekt von 1 bis 10 zählt. Es kommt auf die Freude am Zählen an. Einfach nicht korrigieren. Bei Gelegenheit zählst du deinem Kind vor und es lernt aus deinem Vorbild. Das gleiche gilt für die Sprache: Kinder dürfen nicht verbessert werden. Ein „Das heißt …“ schädigt die Sprachentwicklung sogar.

Freue dich mit deinem Kind und lass es vor allem spielen!
Darüber habe ich bereits geschrieben: Maria Montessori nannte dieses wertvolle Phänomen, indem Kinder am besten lernen: die Polarisation der Aufmerksamkeit.

2. Du willst Harmonie, dein Kind will „Ich-Sein“

Die zweite Angst liegt hinter dem Satz „Ich muss meinen Kindern eine glückliche Kindheit bieten.“ Dahinter verbirgt sich vielleicht dein Bedürfnis nach Harmonie! Wir alle wollen gute Eltern sein. Und manche von uns glauben, dass dies nur geht, wenn immer gute Laune vorherrscht. Dabei hat auch ein Kind ein Recht auf schlechte Laune. Und wir selbst sollten uns auch erlauben einfach mal schlecht drauf zu sein. Dann sind die Chancen darauf, dass es uns bald besser geht, größer.

Kinder wollen keine Harmonie. Sie leben im Hier-und-Jetzt. Kinder wollen ab circa 2 Jahren vor allem einfach nur sie selbst sein dürfen. In diesem Alter beginnt die Ich-Entwicklung.

Sie wollen nicht abgelenkt werden, wenn sie traurig sind. Kinder wollen gesehen werden; so wie sie sind. Und das ist manchmal gerade traurig oder wütend oder froh. So wie bei uns eben. Kinder müssen im Unterschied zu uns Erwachsenen noch nicht ihre Gefühle zurück halten können. Sie dürfen unmittelbar zeigen wie es ihnen geht. Für uns hört sich das manchmal nach Weltuntergangsstimmung an. Vielleicht weil wir selbst unsere Gefühle aufgrund gesellschaftlicher Konventionen nie mehr so zeigen durften, beziehungsweise uns selbst dies nicht erlaubten.

Nicht ablenken, sondern Gefühle zulassen
Wenn dein Kind traurig ist, dann tröste es indem du ihm einfach zuhörst und es im Arm hälst. Kein: „Guck mal was Teddy da macht!“ Und auch kein: „Alles ist gut.“ Das stimmt nämlich für das Kind jetzt gerade nicht. Ein: „Ich bin bei dir.“ reicht völlig aus. Und warten. Meist vergeht die Trauer schnell wieder, auch ohne Ablenkungsmanöver. Lass dein Kind so wie es ist, und so wie es sich jetzt gerade fühlt!

3. Du willst Sicherheit, dein Kind will Grenzen kennen lernen

Dein Kind will seine eigenen Grenzen erfahren. Das ist wichtig für seine Entwicklung. Stell dir mal vor dein Kind hätte nie ausprobiert, ob es von der Bauchlage zurück in die Rückenlage kommt.

Dieses Grenzentesten kollidiert oft mit unserem Bedürfnis nach Sicherheit. Jean Leadloff glaubt sogar, dass Kinder Gefahren gut einschätzen können. Sie hat die Yequana-Indianer beobachtet, die ganz ursprünglich leben. Die Kinder der Yequana Indianer dürfen neben einer Grube krabbeln und mit scharfen Messern umgehen. Die Yequana-Indianer sind davon überzeugt, dass schon kleine Kinder Gefahren erkennen.
Davon bin ich persönlich nicht überzeugt. Ich habe beobachtet wie 6-Jährig das Seil in der Kletterhalle los ließen, weil sie nicht verstanden haben, dass sie gerade ein anderes Kind sichern. Darum steht immer ein Erwachsener dabei und sichert nach. 7-Jährige konnten das ausnahmslos verstehen. In diesem Jahr entwickeln Kinder offenbar ein Verständnis für Gefahren. Kindergartenkinder lernen von uns Erwachsenen, was gefährlich ist.

Eltern beurteilen Gefahren
Wir Eltern schätzen die Gefahren im Umfeld unserer Kinder ein. Ein Kind versteht die Gefahr, die von einem fahrenden Auto ausgeht noch nicht. Es weiß nicht, dass es in der Badewanne ertrinken oder sich am Putzmittel vergiften könnte. Beim Spielen an der Steckdose, weiß es nicht von der Gefahr des elektrischen Stroms.

Es liegt in unserer Verantwortung die Umgebung unserer Kinder so zu gestalten, dass sie möglichst sicher ist:

  • Tür zum Balkon schließen oder Kind beaufsichtigen
  • Putzmittel unzugänglich verstauen
  • Steckdosen mit speziellem Kinderschutz versehen
  • Regeln für den Straßenverkehr immer wieder besprechen
  • Kind beim Überqueren an die Hand nehmen
  • Und so weiter.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e.V. klärt sehr gut über Gefahren auf. Die Seite ist sehr schön aufbereitet, um uns Eltern über Gefahren zu informieren.

Kinder machen Erfahrungen in Räumen mit kalkuliertem Risiko
Das Bedürfnis unserer Kinder danach Grenzen kenne zu lernen besteht natürlich jenseits aller Gefahren. Und mir hat es sehr geholfen Jean Leadloff zu lesen. Ich konnte meine Ängste besser aushalten und mehr auf die Fähigkeiten meiner Tochter vertrauen. Dabei habe ich das Risiko zuerst abgewogen.
Es liegt an uns Erwachsenen eine Umgebung zu schaffen, in der sich Kinder in einem kalkulierten Risiko bewegen können: Spielplätze in Deutschland sind so konzipiert, dass sich Kinder ab 3 Jahren dort unter kalkuliertem Risiko frei bewegen und eigenen Erfahrungen machen können. Eltern aufgefordert jüngere Kinder beim Spielen zu begleiten.

Du musst selbst einschätzen wie hoch die Risiken in deiner Umgebung sind. Wichtig ist, dass du deinem Kind die Möglichkeit gibst seine körperlichen Grenzen zu erweitern.

Zum Beispiel:

  • Rad fahren lernen auf dem Hof, statt auf dem Bürgersteig
  • Begleitung auf dem Spielplatz bis sich dein Kind sich sicher genug fühlt
  • Spielangebote allein zu nutzen
  • Die Wohnung kindsicher gestalten

Du geräts in einen Konflikt, wenn das Kind den Wunsch hat etwas alleine zu machen und du dich unsicher fühlst:

Schritt 1: Risiko abwägen.
Du wägst ab wie hoch das Risiko ist. Du richtest deine Wohnung kindsicher ein. Du machst Regeln für den Straßenverkehr. Du bereitest die Umgebung so vor, dass du das Risiko kalkulieren kannst.
Das schreibt der BAG über Spielplätze: „Ein durchdachter und gepflegter Spielplatz bietet Spaß am Spielen, lässt kalkulierbare Risiken zu und fördert die Erweiterung des Erfahrungsschatzes ohne ernste Gefahr für Leib und Leben.“

Schritt 2: Vertrauen.
Wenn du die Umgebung für dein Kind entsprechend vorbereitest hast, dann lässt du dein Kind in dieser Umgebung mit diesem kalkulierten Risiko seine eigenen Erfahrungen machen. Du vertraust auf das Körpergefühl deines Kindes.
Beispielsweise vertraue ich meiner Tochter, wenn sie sagt, sie kann die Rutsche alleine hoch klettern kann. Ich werde sie nicht davon abhalten. Ich behalte meine Angst bei mir

Schritt 3: Freue dich mit deinem Kind.

Bedürfnisorientiert statt ängstlich

Vielleicht machst du dir oft Sorgen um dein Kind. Sorgen und Ängste sind gut, denn sie weisen dich darauf hin, dass du etwas ändern solltest. Sie sagen dir aber nicht in welche Richtung es gehen soll. Schaue lieber danach welche Bedürfnisse hinter deinen Ängsten stecken und achte auf die Bedürfnisse deines Kindes.

Das kann ein Weg sein, um dein Familienleben positiv zu gestalten und deine Ängste hinter dir zu lassen.

Zum Weiterlesen

Lasst eure Kinder spielen! Was wir von Maria Montessori lernen können
Wie wir die Bedürfnisse von Kindern besser verstehen können
Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e.V.

Bücher
Jean Leadloff – Auf der Suche nach dem verlorenen Glück
Jesper Juul – Dein kompetentes Kind
Amy Chua – Die Mutter des Erfolgs

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2 Kommentare

  1. Ein schöner Beitrag, danke dafür :) Ich hab ihn auch gleich mal bei FB und Twitter geteilt :) Ein Hoch auf den #eb2gether da entdeckt man immer wieder tolle neue Blogs :)

    Liebe Grüße, Frida

    • sonja sagt

      Hallo Frida,

      danke für dein Kommentar und für’s teilen!

      Ich freue mich, dass du meinen Blog besuchst! Ich bin auch gespannt, was wir noch über #eb2gether entdecken werden! Das war eine super Idee von dir!

      Líebe Grüße,
      Sonja

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