Zuletzt aktualisiert am 10. März 2020
Die meisten von uns haben sicher Erfahrungen mit Paarbeziehungen. Immerhin bilden sie das Fundament der meisten Familien. Trotzdem – seit ich dieses Buch über Paarberatung lese habe ich so einige Aha-Erlebnisse, die ich gerne mich euch teilen möchte.
Zuerstmal macht sich ja, wenn man sich verliebt, keiner Gedanken darüber welchen Gesetzmäßigkeiten oder Regelmäßigkeiten Paarbeziehungen unterliegen. Doch es ist ein Axiom der Psychologie, zumindest verstehe ich es als solches, dass wir Menschen uns ähneln. Wir verhalten uns also in ähnlichen Situationen ähnlich. Ansonsten würde die psychologische Forschung gar keinen Sinn ergeben, wenn jede*r von uns sich in ähnlichen Situationen vollkommen unterschiedlich verhalten würde. – Wenn wir zum Beispiel in eine neue Stadt ziehen, ist das eine Situation, die viele Menschen schon einmal erlebt haben und die meisten durchleben die gleichen Phasen und fühlen sich ähnlich dabei. Zum Beispiel brauchen wir eine Zeit lang, um uns einzugewöhnen und neue Leute kennen zu lernen und Freundschaften zu knüpfen.
Beziehungen sind Systeme
Aber zurück zu der Paarbeziehung an sich. Ich verstehe die Paarbeziehung als ein System. Ein kleines System zwar, von zwei Personen, und trotzdem ein System. Es ist wichtig das zu verstehen, weil Mitglieder des Systems Wirkung aufeinander haben.
Systeme sind wie Mobiles. Tippt man ein Element an, bewegen sich alle.
Noch einmal einen Schritt zurück: Das Paar ist ein System. Und wenn Kinder dazu kommen, kommen sie in ein bestehendes System. Die Eltern sind dabei hierachisch höher angesiedelt als die Kinder. Die Eltern haben also großen Einfluß auf das ganze System.
Eine Paarbeziehung gleicht einer Wippe
Eine schöne Metapher für das System einer Paarbeziehung ist die Beziehungswippe. Mit ihr kann ich gut verstehen, wieso ich in Partnerschaften so sehr zu einem Extrem neigte. Ich war zum Beispiel die, der Ordnung wichtig war. Ihm war das nicht so wichtig – dafür hat er sich lieber entspannt. Ich war diejenige die zuhörte – er erzählte. Ich wollte draußen etwas unternehmen – er lieber gemütlich zu Hause bleiben. Dass sich diese Pole mal gewechselt hätten kam – zumindest als die Beziehung schon in Schieflage (siehst du?) war – selten vor. Jeder der Partner*innen verkörpert einen dieser Pole. Zum Beispiel Ordnung oder Chaos, Zuhören oder Erzählen, Ausgehen oder zu Hause bleiben. Wenn man sich im Internet umschaut, wird dafür oft der Begriff der Polarität verwendet. Und ja, man kann diese Eigenschaften und Verhaltensweisen als zwei Pole betrachten.
Bei der Beziehungswippe sitzt je ein Pol auf einem Ende der Wippe. In einer gesunden Beziehung wippen die Partner*innen noch. Sie wippen auf und ab. Wie auf dem Spielplatz. Gerät die Partnerschaft jedoch in Schieflage, verhungert einer. Die Wippe steht still. Die Pole unterscheiden sich immer deutlicher und es gibt keine Abwechslung mehr.
Die Polarität kann uns eigene Schattenanteile zeigen
Wir haben festgestellt, dass wir in einer Paarbeziehung in einer Polarität leben. Der Pol, den unsere Partner*in verkörpert kann zugleich einen Schattenanteil von uns repräsentieren. Als Coach arbeite ich mit den sogenannten Schatten. Das sind Anteile unserer Persönlichkeit, die wir nicht ausleben (wollen) oder die unbewusst sind.
Schatten sind oft unbewusste und nicht akzeptierte Anteile unserer Persönlichkeit.
Früher habe ich, wie im obigen Beispiel erwähnt, den Pol der Sauberkeit und Ordnung übernommen. Mein Ex-Partner den Pol der Entspannung und des Fünfe-Gerade-sein-lassens. Seit ich alleine lebe kann ich viel besser locker lassen und den Haushalt da sein lassen wo er ist. Es lohnt sich für unsere persönliche Entwicklung sich diese Schattenanteile genauer anzusehen. In einer Paarbeziehung können diese Schatten überdeutlich werden und es ist eine Chance für uns darüber nachzudenken. Was passiert wohl, wenn ich nicht mehr auf die Einhaltung des Putzplans poche, sondern mich mit einem Kaffee (oder einem anderen Getränk deiner Wahl) auf’s Sofa setze und die Füße hoch lege?
Wenn die Pole variabel sind und die Wippe wippt
Kürzlich habe ich ein Kinderbuch vorgelesen: „Piraten-Manieren“ von Daniela Kammer und Birgit Antoni. In dieser Geschichte haben die Eltern sich dazu entschieden einen Piratentag einzulegen, um ihrem Kind zu zeigen, dass es nicht für alle lustig ist, wenn keiner nichts macht. Dann gibt es nämlich nichts zu essen und keiner spielt mit einem. Das Kind der Familie machte sich daraufhin Gedanken und veränderte sein eigenes Verhalten. Die Familie hat sich am Schluss auf einen Piratentag pro Woche geeinigt. Vielleicht sollten wir uns auch öfter Piratenlaunen gönnen?!
Die Pole können sich verfestigen und die Wippe bleibt stehen
Wenn wir uns in einer Paarbeziehung befinden und die erste Verliebtheit nach etwa zwei Jahren nachlässt kann es sein, dass wir im System der Paarbeziehung einen Pol überdeutlich ausleben und die andere Seite der Polarität für uns nicht mehr für unsere Verhaltensoptionen in Betracht ziehen. Das Ziel im Coaching ist es immer wieder das Repertoire an möglichen Verhaltensweisen zu erweitern und verfügbar zu machen. Daher ist es oft hilfreich sich den anderen Pol, den den die Partner*in oft verkörpert für uns selbt wieder zu entdecken.
Erkenntnis ist der erste Schritt zu Veränderung
Für mich war es ein Aha-Erlebnis, auch wenn ich schon viel über Systeme gelernt habe: Partnerschaften sind auch ein System. Eines, dass sich polar ausrichtet. Wenn die Parnter*innen nicht mehr beide Pole der Wippe nutzen, kann die Beziehung starr werden, und die Partner*innen verhungern auf der Beziehungswippe. Wir entwickeln uns dann auch persönlich nicht weiter.
Was denkst du über die System-Theorie und dem Bild der Beziehungswippe. Ist es für dich eine Erkenntnis und damit ein erster Schritt zur Veränderung? Möchtest du noch mehr über Partnerschaft und Beziehung lesen? Ich freue mich über Kommentare!
Quellenangaben:
Martin Koschorke, Keine Angst vor Paaren, 2019
Daniela Dammer und Birgit Antoni, Piratenmanieren, 2012
Hier geht’s zu Teil 2 der Grundregeln moderner Partnerschaften
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