Zuletzt aktualisiert am 10. Februar 2019
Wir sind selten wirklich ehrlich. Weder zu uns selbst, noch zu den Menschen, die uns umgeben. Wir haben alle gelernt uns anzupassen. Bestimmte Gefühle werden gerne gesehen; andere gilt es zu verstecken.
Doch tut uns das gut?
Nein, sagt Brad Blanton, der Autor von “Radikal Ehrlich”. Diese Kommunikationsform wird gerade immer bekannter. Es gibt kleinere und größere Communities, die lernen und praktizieren wirklich ehrlich miteinander zu kommunizieren.
Kürzlich war ich auf einem Radikal Ehrlich Workshop. Für ein Wochenende mit fremden Leuten habe ich geübt radikal ehrlich zu kommunizieren. – Und heute früh stehe ich davor mein eigenes Peergroup-Treffen anzuleiten und bin extrem aufgeregt. Ein guter Grund, sich wieder an diesen Artikel zu setzen.
Ich finde die Grundlagen und die Haltung sind auch in der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg zu finden. Der Ansatz von “Radikal Ehrlich” ist einerseits einfach, weil direkter, andererseits auch schwieriger, da ungefiltert.
Wie geht radikal ehrlich?
Ich möchte ein paar Grundlagen erklären, auf die man achten kann, wenn man radikal ehrlich kommunizieren möchte.
Was ist jetzt gerade?
Wir sind im Hier und Jetzt. Es geht darum zu sagen, wie es einem jetzt in diesem Moment geht. Du äußerst deine Gefühle und Körperempfindungen, genauso wie deine Gedanken. Wir sagen die Wahrheit.
Bleib bei dir
Wir sprechen in der Ich-Form. Ich sage Wahrheiten über mich. Dabei kann man durchaus sagen, was man über andere denkt. Dies machen wir deutlich indem wir zum Beispiel sagen: “Ich stelle mir vor, dass du…”, “Ich denke, dass….”, “Meiner Meinung nach,…”
Die erste Formulierung ist dabei am seltsamsten, wie ich finde und dabei am klarsten. Es wird klar, dass dies die Vorstellung des Sprechers ist und keine gegebene Wahrheit, kein Fakt.
Sag was du brauchst, was du willst
Bei einer ehrlichen Kommunikation schlägt Brad Blanton vor, zu sagen was man will. Zum Beispiel: “Würdest du das Fenster schließen?”, “Ich brauche eine Pause.”, “Ich möchte etwas trinken.”
Wir sollen aussprechen, was wir brauchen. Das würde bei Gästen völlig sinnlos machen höflich zu fragen, ob sie etwas trinken wollen, da sie selbst danach fragen würden. Niemand würde Verantwortung für jemand anderen übernehmen, indem er ihm sagt: “Ist dir nicht kalt? Zieh dir doch eine Jacke an.”
Ein erleichternde und befreiende Vorstellung für mich.
Nimm mehr als du gibst
Mit dieser Regel aus dem Workshop und dem MeetUp hatte ich so meine Schwierigkeiten. Ich stelle mir vor, dass es vor allem Frauen betrifft, denen dies schwer fällt.
Ich habe auch im Workshop gefragt wie das gehen soll. Als Antwort bekam ich, dass wenn ich mich gut um mich selbst gesorgt habe, ich auch gerne anderen etwas gebe. Das sei ganz natürlich.
Ein Bild mit dem man das erklären kann ist Folgendes: Wenn in einem Flugzeug bei einem Notfall die Sauerstoffmasken herunter fallen, versorge ich zuerst mich – nicht mein Kind oder meinen Nebenmann*frau. Zuerst mich selbst. Denn wenn ich das nicht tue, dann kann ich niemand anderem mehr helfen. Wenn ich ohnmächtig bin, läuft nichts mehr. Ich bin zuerst dran! Krass, oder?
Es gibt noch andere Regeln, die ich jetzt nicht auf den Alltag übertragen will. Ich möchte nun jedoch darauf hinaus, warum du auch mit deinem Kind ehrlich sprechen solltest:
Dein Kind bekommt sowieso mit, wenn sich deine Stimmung verändert.
Es nützt nichts, wenn ich meine eigene Wut zurück halte, nur weil ich nicht in den Konflikt gehen will. Wenn meine Tochter morgens noch dies und jenes machen möchte und ich einfach nur aus dem Haus will; werde ich schon mal wütend. Auch, wenn ich noch so sehr verstehen kann, wenn die Socken nicht sitzen oder die Strumpfhose zwickt.
Du bist ein Vorbild für dein Kind
Wenn du deinem Kind zeigen kannst, wie es dir geht und was du brauchst, dann lernt dein Kind aus deinem Vorbild. Es wird auch selbst besser mit seiner Wut oder Angst zurecht kommen, wenn du ihm vorlebst, dass das in Ordnung ist und wie das geht. Ermutige dein Kind seine Gefühle zu äußern und zu sagen was es braucht.
Lass dein Kind es selbst sein
Als Eltern er-ziehen wir. Trotzdem sollten wir versuchen unser Kind es selbst sein zu lassen. Wenn wir von unserem Kind erwarten jemand anders zu sein, dass ist das nicht gut für das Selbstwertgefühl des Kindes.
Zum Beispiel hätte ich gerne, dass meine Tochter Jeans trägt, weil die im Winter wärmer sind. Sie hasst Jeans. Also trägt sie Strumpfhosen. Sie sagt, ihr ist auch nicht zu kalt. – Sie hat zwei übereinander, ich hoffe das stimmt. Sie rennt auch viel mehr rum als ich.
Radikal können wir mit unseren Kindern nicht sein
Meiner Meinung nach ist es unsere Aufgabe als Erwachsene uns insoweit zurück zu nehmen, wie die Kinder unsere Emotionen verarbeiten können. Das hängt, wie ich vermute, vom Entwicklungsstand des Kindes ab.
Ich würde meine Tochter nicht anschreien wollen, nur um über meinen Ärger hinweg zu kommen. Das Laut-werden ist nach Brad Blanton wichtig, um über den eigenen Ärger hinweg zu kommen.
Erwachsenen kann man das zumuten. Kindern nicht.
Wir haben Verantwortung für unsere Kinder. Ich würde immer dazu raten den Kindern ehrlich zu sagen wie es uns geht. Zum Beispiel “Ich bin wütend.” zu sagen. Aber ohne das Kind anzuschreien.
Vielleicht widerspricht dies dem, dass ich auch denke, dass wir ein Vorbild für unser Kind sein sollten. Denn meinem Kind würde ich es zugestehen laut seine Wut zu äußern. Trotzdem habe ich Sorge, dass ich mein Kind damit überfordere und eher die Botschaft aussende: “Du bist nicht ok.”
Meinem Kind gegenüber spreche ich daher ruhig und dabei ehrlich.
Wie kommunizierst du mit deinem Kind? Bist du ehrlich, wenn du wütend oder traurig bist?
Schreib mir gerne eine Email. [maxbutton id=“3″ text=“Email an Sonja“ ]